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recht_und_gesetz:constitutio_criminalis_violensis_-_peynliche_halsgerichtsordnung

Constitutio Crimenalis Violensis

Peynliche Halsgerichtsordnung fuer die Grenzbruecker Lande

Praeambulum

Item, es ist seyd altersher bekannt, dasz nur durch Straf und Busze gegenueber den Miszethaetern die von den Ewgen gegebene Ordnung fuer all jene ehrbaren und rechtschaffenen Maenner und Weyber verteidigt und bewahrt werden kann. Solcherart ist Ordnung aber der Grundpfeiler fuer Gerechtigkeyt, welche nur durch Recht und Gesetz festgeschrieben werden kann. So handelt derjenige, welcher Straf und Busze verhaengt, nicht alleyn um des Gesetzes willen, sondern auch und vielmehr im Dienste der Allerhoechsten Heiligkeyten darselbst. Doch keyne Strafe ohne geschriebenes Gesetz. Item,, herinnen in den hernachfolgenden Regularien durch die Krone fuer gemeynes Recht erkannt, welcherart Strafen verhaengt werden soll fuer derley hernachfolgend Miszethathen und welcherart und welcherweis solche, die zu Richtern und Urtheylern bestellt, das Recht finden und eine billige Strafe verhaengen sollen.

Liber primus – Allgemeyne Regluarien und verschiedentliche Strafen

Capitulum primum: Von allgemeynen Regularien

Art. I. Von den verschiedentlichen Strafen

I. Item, erkennet ein Richter oder Urtheyler einen Beklagten einer Miszethat fuer schuldig, so soll er bey seinem Richtspruch einzig und alleyn auf die hernachfolgend Strafen, Buszen und Reustrafen erkennen, je danach welcher Miszethat sich der Beklagte schuldig gemacht und wie schwer seyne Schuld wiege.

II. Ferner mag der Richtspruch dem Beklagten ein Wergeld auferlegen, als billig und fuertrefflich Ausgleych zwischen Klaeger und Beklagtem. Das Wergeld soll innerhalb eines Tages an den Klaeger gezahlt werden, der es annehmen musz. Nimmt der Klaeger ob seyner eigenen Gruende das Wergeld nicht an, so faellt es der Krone oder der jeweyligen Landesherrlichkeyt an und gilt fuerderhin als Schuldgeld.

III. Ferner mag der Richtspruch zugunsten der Krone oder einer Landesherrlichkeyt ein Schuldgeld wider den Beklagten verhaengen, als fuertrefflich Ausgleych fuer die der Krone oder Landesherrlichkeyt enstandenen Schaeden.

Art. II. Von der Muendigkeyt

I. Solcherart soll eine Strafe nicht wider ein Kind verhaengt werden. Ein Kind erwaechst zum Knaben im Alter von zwoelf, zum Maedchen im Alter von zehn Jahren. Iszt der Beklagte ein Weyb in den Umstaenden und wird gegen sie eine Reustrafe, Busze oder entliche Straf verwirckt, mit Ausnahme der Geldbusze, so soll der Richtspruch nicht vor der Niederkunft vollstrecket werden. Ist aber die Niederkunft geschehen und hat das Weyb das Kind sechs Mondenlaeufe gestillt, so wird die Strafe vollstrecket. Hat die Beklagte daraus eine endlich Straf verwirckt und das Kind keinen Vater oder sonstigen Anverwandten, der es aufnimmt, so soll das Waise hernach in die Obhut eine Klosters gegeben werde.

II. Item, soll statt des Kindes der jeweylige Vormund mit entsprechender Strafe belegt werden.

Art. III. Von deret lediglich versuchter Miszethat

I. Solcherart eine Miszethat beabsichtigt und bereits begonnen, die aber nicht vollendet, soll lediglich als Versuch der Miszethat anzusehen seyn und ist dem Grunde nach der vollendeten Straf entsprechend zu bestrafen. Jedoch mag der Richtspruch wohl bedenken, dasz nicht das volle Unrecht und die volle Schuldigkeyt hierin sich offenbart und solcherart die Straf zu mildern ist, es sey denn dasz hernachfolgend anderes bestimmt.

II. Item, so mag sowohl die koerperliche Reustraf, als auch das Wergeld gemindert werden.

III. Beginnet der Miszethaeter seyn Unrecht zu vollfuehren und laeszt hernach aber hiervon ab und es kommt niemand zu Schaden, so soll er lediglich mit Geldbusze belegt werden, je danach wie schwer die ersuchte Miszethat wiegt.

Art. IV. Von der Thaeterschaft

I. Item, ist Thaeter, wer selbst eygen Hand anlegt, mit einem anderen gemeynsam handelt oder durch einen anderen handelt – Anstattthaeter genannt.

II. Die Mitthaeter sollen gleych bestraft werden.

III. Solcherart soll der Anstattthaeter wie folgt gestraft werden. Handelt der Anstattthaeter gewissentlich freywillig oder haette er die Miszethat auch aus eigener Intentio heraus veruebt, so soll der Anstattthaeter als Thaeter und der andere als Anstifter bestrafet werden. Handelt der Anstattthaeter aber gezwungenermaszen oder gar auf Verlangen des anderen, so soll der andere strenger bestraft werden als der Anstattthaeter.

Art. V. Von der Anstiftung, Thathylfe und der Mitwisserschaft

I. Item, derjenige, welcher einen anderen dazu bringt, eine Miszethat zu begehen oder ihn hierzu bestimmt, soll als Anstifter gleych dem Thaeter bestraft werden. Laeszt sich der Anstifter jedoch hierob nicht schrecken und handelt abermals als solcher, so soll ihm ferner die Zunge herausgeschnitten werden, auf dasz sein verleitend Wort nicht mehr zu Tage treten mag.

II. Item, Gehylfe ist, wer die Miszethat eines anderen gleychwie unterstuetzet oder von ihr weisz, aber dies fuer sich behaelt – Mitwisserschaft genannt. Der Gehylfe soll milder als der Miszethaeter gestraft werden, dennoch mag er nicht straffrey seyn, da es ihm obliegt die That zu hindern.

Art. VI. Von billiger und rechter Noththat

I. Item, solcher Miszethaeter, der erwiesenermaszen ob einer Bedrohung oder Gefahr wegen fuer die Krone, eine Landesherrlichkeyt, fuer sich selbst oder seine Sippschaft handelt, um Schaden abzuwenden, iszet Noththaeter und soll straffrey bleiben.

II. Item, handelt er solcherart, um eine Bedrohung fuer die Krone oder eine Landesherrlichkeyt abzuwenden, soll sein hieraus entstehender Schaden vergolten werden.

Art. VII. Vom Nichthandeln

Item, ebenso ist Miszethaeter, wer die That nicht durch seyn eigenes Handeln, sondern durch Duldung oder Geschehenlassen, also mithylfs des Nichthandelns begeht.

Art. VIII. Von Absicht und Schuldigkeyt

I. Item, soll davon auszugehen seyn, dasz die Miszethat stets mit Absicht erfolgt ist, es sey denn, der Miszethaeter mag durch entsprechende Gegenred anderen Beweys zu erbringen.

II. Vermag der Miszethaeter diesen Beweys zu fuehren, so soll seyne Straf hernach gemildert werden, als er zwar nicht absichtlich die Miszethat vollzogen, diese hierob aber bey gebotener und alldieweyl von jedem Manne oder Weybe zu verlangender Obacht und Sorgfalt haette vermeyden koennen.

III. Item, soll davon auszugehen seyn, dasz die Miszethat schuldhaft begangen, es sey denn, der Miszethaeter mag durch Gegenrede zu erweysen, dasz er durch boesen Zauber, Hexerey, ueble Tinctur oder auf andere Art und Weys hierzu gezwungen ward. Der Erweys mag nur durch Ergreyfung des Hexers, Zauberers oder Giftmischers, welcher ihm den ueblen Zwang eingefloeszt, erbracht werden. Gelingt dem Miszethaeter das Gericht hiervon zu ueberzeugen, so soll er straffrey bleiben. Handelt der Miszethaeter hierob erneut, obgleych der Hexer, Zauberer oder Giftmischer ergriffen und gerichtet, so soll er zwar straffrey bleiben, aber ob der Leuterung seyner Seele wegen dem reinigenden Feuer uebergeben werden.

Art. IX. Von Miszethaten der Unfreyen

I. Item, ist der Miszethaeter ein Unfreyer, in explicio ein Leybeigener, so soll nicht der Herr des Unfreyen zur Rechenschaft gezogen werden, sondern der Unfreye selbst. Das Wergeld und das Schuldgeld aber sind vom jeweyligen Herrn zu entrichten. Solcherart Miszethaten unter den Unfreyen desselbigen Herrn, soll der Herr selbst richten. Im uebrigen dagegen soll der Herr den Unfreyen im Procesze verteidigen und das Wort fuer ihn fuehren.

II. So der Unfreye eine Miszethat von einiger Schwere begangen, soll der Richter nicht zu milde richten. Hierobwegen iszet stets bey Miszethaten von Unfreyen eine endliche Straf in Betracht zu ziehen.

Capitulum Secundum: Von Buszen und Reustrafen

Art. I. Allgemeynes

Solcherart der Beklagte einer Miszethat fuer schuldig erachtet, jedoch nicht seyn Leben hierdurch verwircket, soll auf eine oder mehrere der hernachfolgenden Buszen und Reustrafen erkannt werden.

Art. II. Vom Auspeitschen

Lautet der Richtspruch aufs Auspeitschen, so soll der Verurtheylte auf den oertlichen Richtplatzc, Richtfelsen oder Richthof gefuehret und dortig an den Richtstein, Pranger oder an Richtbaum gebunden werden. Solcherart soll er durch den Hencker, Buettel oder sonst zur Vollstreckung Berufenen mit der Peitsche, Knute, dem Stock oder der Rute maltraetiert werden, je danach wieviele Hiebe durch den Richtspruch auferlegt. Item, mag der Richter oder Urtheyler auf hoechstens fuenfzig in schwersten Faellen und wenigstens fuenf der Hiebe bey geringen Miszethaten erachten.

Art. III. Vom Bauch durchstoszen

Item, soll dem Verurteyhlten nach dem Richtspruche der Bauch durchstoszen werden, so wird er auf die Streckbanck gebunden. Alleyn ein Hencker nehme hernach Spiesz oder Messer und stosze dem Verurteyhlten zumindest eines aber bis zu vier Loecher, je danach wie der Richtspruch lautet, in den Rumpf, jedoch allenthalben solcherart, dasz der Verurtheylte nicht zu Tode komme. Hernach verarzte der Hencker die Wunden solcherart, dasz kein Bluth mehr herausstroeme und binde den Verurteyhlten los.

Art. IV. Vom Blenden

Lautet der Richtspruch aufs Blenden, so werden dem Verurtheylten durch den Hencker mit Messer und Spiesz die Augaepfel ausgestochen oder ob deret Gnaden halber ein gluehendes Eysen an diesen vorbeigefuehrt. Soll ein zum Tode Verurteyhlter begnadigt werden, so mag der Gnadenwalter auf diese Reustrafe statt der endlichen Straf erkennen.

Art. V. Vom Brandmarken

Lautet der Richtspruch aufs Brandmarken, so wird der Koerper des Verurteyhlten auf oeffentlichem Platzce in der letzten Stunde des Markttages entbloeszt und mit gluehendem Eysen maltraetieret. Die Gemarkung soll erkennen lassen fuer den Unzuechtigen ein Distelblatt, fuer den Dieb den Lettern D, fuer den Verraeter den Lettern V und im uebrigen hernach wie es die Krone in gedeihlichem Rechte oder nach altem Brauche festlege. Ebenso hat der Richtspruch darauf zu lauten, ob die Brandmarck auf die Stirn, die Wange, eine oder beiderley der Unterellen, oder auf Brust oder Ruecken erfolgen soll.

Art. VI. Vom Entmannen

Soll derley Miszethaeter, welcher ob der Unzucht wegen verurteyhlt ward, entmannt werden, so wird er im Karzer entbloeszt und der Hencker trennt ihm die Hoden ab. Aufs Entmannen mag nicht gegen den zweyten oder dritten Bluthrang erkannt werden.

Art. VII. Vom Finger abhacken

Lautet der Richtspruch aufs Finger abhacken, so wird die lincke Hand des Verurtheylten auf den Richtblock gebunden und der Hencker trennet mit kurzem Beyle oder Messer alle Finger. Den Daumen aber soll er verschonen. Wird hernach erneut gegen den Beklagten wegen einer anderen Miszethat diese Reustraf verhaengt, so soll sie an der rechten Hand vollstreckt werden. Alldieweyl hernach soll gegen den Beklagten wegen einer anderen Miszethat auf diese Reustraf nicht mehr erkannt werden.

Art. VIII. Von der Geldbusze

Solcherart mag der Richter oder Urtheyler, als ihm eine andere Straf zur Zuechtigung oder Reue nicht geeignet erscheinet, eine Geldbusze wider den Beklagten verhaengen. Diese wird als Wergeld verhaengt und iszt je solcherart nach Schaden und Schwere der Schuld und als und ob der besonderen Umstaend des Falles ohn Achtung auf das Vermoegen des Beklagten zu bemessen. Vermag der Verurteyhlte sodann das Wergeld nicht innerhalb jener durch Richtspruch gesetzten Zeytspanne zu zahlen, so soll er in den Schuldturm gesperrt werden, fuer jedes verhaengte Kupfer einen Tag wohl lang bis hernach seyne Schuld endlich abgetragen oder aber der Richter oder Urteyhler erkennet sodann auf Schuldknechtschaft.

Art. IX. Vom Hand abhacken

Lautet der Richtspruch aufs Hand abhacken, so wird die lincke Hand des Verurtheylten auf den Richtblock gebunden und der Hencker trennet sie mit dem Beyle oder Schwert vom Arm. Wird hernach erneut gegen den Beklagten wegen einer anderen Miszethat diese Reustraf verhaenget, so soll sie an der rechten Hand vollstreckt werden. Alldieweyl hernach soll gegen den Beklagten wegen einer anderen Miszethat auf diese Reustraf nicht mehr erkannt werden, sondern eine endliche Straf verhaenget werden.

Art. X. Vom Kerker

Solcherart verurteyhlter Miszethaeter, wider den Kerkerhaft verhaengt wird, soll in die Obhut des Kerkerers der naechsten Burg oder Veste oder des naechstgelegenen Schuldturms gegeben werden, wo er fortan fuer die Zeytspanne seyner Haft alleyn bey Wasser und Brot seyn Daseyn zu fristen habe. Die Kerkerhaft mag im geringsten mit einer Woche und im schwersten Falle mit allweyliger Kerkerhaft ohne Gnadengunst verhaengt werden.

Art. XI. Vom Ohren abschneiden

Item, lautet der Richtspruch aufs Ohren abschneiden, so wird der Verurteyhlte gebunden und der Hencker mag eines oder beide Ohren vom Kopfe trennen, je danach wie der Richtspruch es bestimmet.

Art. XII. Vom Pranger

Solcherart verurteyhlter Miszethaeter, wider den die Prangerstraf verhaengt wird, soll auf dem Marktplatzce, am Richtsfelsen oder sonst an oeffentlichem Orthe zum Pranger geschliffen und an eben jenen gebunden werden, dasz er fuer allethalben rechtschaffene und gute Buerger fuerderhin zur Schau gestellet. Solcherart mag der Richtspruch auf eine Stund Pranger im niedersten bis zu dreyzehn Tag Pranger im hoechsten Falle lauten. Zugleych mag der Richtspruch den Verurteyhlten bei besonderer Schuldigkeyt fuer die Zeyt am Pranger durch gesonderten Spruch als rechtlos erachten, mithin also jene, welche sich an ihm in welcher Art und Weyse vergehen, straffrey bleiben sollen.

Art. XIII. Von der Schuldknechtschaft

Item, ist wider den miszethaeterischen Verurteyhlten die Schuldknechtschaft verhaengt worden, alldieweyl er in explicio das wider ihn verhaengte Wergeld nicht zu zahlen vermag, so hat er seyne Arbeytskraft zur Genuege des jeweyligen Glaeubigers oder sonst Geschaedigten oder zugunsten des Landesherrn zu verwenden, solange als bis seyne Schuld hernach abgetragen oder die durch Richtspruch verhaengte Spanne abgelaufen.

Art. XIV. Vom Sehnen durchstoszen

Item, lautet der Richtspruch aufs Sehnen durchstoszen, so wird der Verurteyhlte gebunden und der Hencker mag die Versen oder Ellen durchschneiden, je danach wie der Richtspruch es bestimmet.

Art. XV. Vom Verlust von Privilegien

Item, ist ein Beklagter von adligem Stande einer Miszethat schuldig, so mag die Krone, der Reychshochrichter oder der Lehensherr des Beklagten durch gesonderten Richtspruch ihn seyner Privilegien zur Gaenze oder allenthalben teilweyse fuer verlustig und geachtet erklaeren, es sey denn dasz dies nach diesem Rechte oder einem anderen Gesetze der Krone fuer unzulaessig erachtet worden iszt. Der Beklagte wird hierdurch der durch seynen Stand begruendeten Pflichten aber nicht frey.

Art. XVI. Von Verbannung

Lautet der Richtspruch auf Verbannung, so hat der Verurteyhlte vom Spruchtage an das Land des jeweyligen Lehensherrn oder Landesherren oder des Reyches, je danach wer das Urteyl verhaenge oder zu wessen Gunsten es erlassen, zu verlaszen. Der Richtspruch mag auf eine Zeytspanne oder auf allweylige Verbannung lauten. Fuer die Spanne der Verbannung gilt der Verurteyhlte dort fuer vogelfey. Nach Jahr und Tag mag der Verbannte die Krone oder seynen Landesherrn oder Lehensherren um Rueckkehr beten, es sey denn das Urteyl lautet auf allweylige Verbannung. Wer einem Verbanntem Unterschlupf gewaehret, soll selbst durch Richtspruch fuer verbannt erklaert werden.

Art. XVII. Von der Vogelfreiheyt

Item, ein solcher Miszethaeter, welcher durch Richtspruch fuer vogelfrey erklaert wird, gilt im ganzen Reyche als rechtlos. Solcherart er von Stand oder mit Privilegien belegt, geht er dieser uno actu verlustig, es sey denn, dasz durch keonigliches Edict anderes bestimmet. Dem Verurteyhlten soll ein Tag und eine Nacht gewaehrt werden, das Reych zu verlassen. Seyn gesamtes Hab und Gut faellt der Krone an. Der Richtspruch ist durch oeffentlichen Aushang und Ausschreyung, in besonders schwerem Falle durch Brandmarkung des Lettern L auf die Stirne bekannt zu machen. Verweylt der Verurteyhlte nach Tag und Nacht noch auf Reychsboden, so sind jegliche Handlungen, in explicio auch solche die zum Tode des Verurteyhlten fuehren, weder durch die Obrigkeyt noch sonst zu ahnen. Wer einem Vogelfreyen Unterschlupf gewaehret, soll selbst durch Richtspruch fuer vogelfrey erklaert werden.

Art. XVIII. Vom Zunge abschneiden

Item, lautet der Richtspruch aufs Zunge abschneiden, so wird der Verurteyhlte gebunden und der Hencker trennt die Zunge mit dem Messer aus dem Munde, reiszt sie mit der Zange aus oder verglueht sie mit heiszem Eysen. Die Zunge mag aufgrund solchen Richtspruches aber nicht gespalten werden.

Capitulum Tertium: Von endlich Strafen

Solcherart der Beklagte einer Miszethat fuer schuldig erachtet und er hierdurch seyn Leben verwircket, so soll nur auf eine der hernachfolgenden endlichen Strafen erkannt werden. Dies schlieszet nicht aus, dasz zugleych auf eine Busze oder Reustrafe erkannt wird. Will der Richter oder Urtheyler hiervon Gebrauch machen, so hat er im Urteyhle zugleich zu bestimmen, ob die Busze oder Reustrafe vor oder hernach der endlichen Strafe zu vollstrecken ist.

Art. I. Vom Einmauern

Item, hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll vom Leben zum Tode gebracht werden und lautet der Richtspruch derethalben aufs Einmauern, so soll der Delinquentus in den dafuer vorgesehenen Tractus der naechstgelegenen Veste verbracht werden. Dort wird der Durchgang bis auf schmalen Spalt vermauert, durch welchem dem Delinquentus Speys und Trank gereichet wird. So soll ihm am ersten Tage eine Waagschale Wasser und ein Laib Brot, am drittfolgenden dagegen nur eine halbe hiervon und am siebtfolgenden nur je ein Viertel hiervon gereichet werden. Hernach soll jener Spalt aber gaenzlich vermauert, uelf der Tage gewartet und der Raum nach bestem bewachet werden. Am zwoelften Tage aber soll der Durchgang wiederum geoeffnet werden. Lebt der Delinquentus hernach noch immer, so gelte er als von den Ewgen begnadigt.

Art. II. Vom Ertraencken

Hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll vom Leben zum Tode gebracht werden und lautet der Richtspruch derethalben aufs Ertraencken, so soll der Delinquentus, wenn die Richtstunde gekommen ist, in einem Kaefig, am Seile oder in einem Sacke ins flieszende Wasser hinab gelassen werden bis er ertruncken. Aufs Ertraencken mag nicht gegen den Adelsstand erkannt werden.

Art. III. Vom Pfaehlen

Item, hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll vom Leben zum Tode gebracht werden und lautet der Richtspruch derethalben aufs Pfaehlen, so wird der Delinquentus an vier Pfloecken auf den Boden gebunden und gestrecket und hernach ein Pfahl durch seinen Koerper geschlagen. Sodann soll der Pfahl mitsamt der Leiche auf der Stadtmauer, dem Marktplatzce oder einer Bruecke aufgestellt werden, auf dasz jedermann hiervon Kenntnis erlange. Aufs Pfaehlen mag nicht gegen solche Beklagte vom Adelsstande erkannt werden.

Art. IV. Vom Raedern

Item, hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll vom Leben zum Tode gebracht werden und lautet der Richtspruch derethalben aufs Raedern, so soll der Delinquentus auf oeffentlichem Platzce aufs Radt geflochten werden und ihm hernach zufoerderst die Knochen an Armen und Beinen zerschlagen werden. Hernachfolgend soll ihm dann der Schaedel wohl zerschlagen werden. Alsdann wird das Radt mitsamt der Leiche auf der Stadtmauer, dem Marktplatzce oder einer Bruecke aufgestellet, auf dasz jedermann von der Vollstreckung Kenntnis erlange. Aufs Raedern mag nicht gegen solche Beklagte vom Adelsstande erkannt werden.

Art. V. Vom Steinigen

Hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll vom Leben zum Tode gebracht werden und lautet der Richtspruch derethalben aufs Steinigen, so wird der Delinquentus an zwey Gaeule gebunden, durch die Straszen der Stadt, des Dorfes oder des Buettels geschliffen und von seynen Peinigern solange mit Steinen beworfen werden, als er tot iszt. Hernach soll der Leyb vor der Stadt oder dem Dorfe verscharrt und die Stelle nicht markiert werden. Aufs Steinigen mag nur gegen das Weyb und diesbetreffend vornehmlich gegen die gemeyne Metze erkannt werden.

Art. VI. Vom Tode durch das Feuer

Item, hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll durchs Feuer vom Leben zum Tode gebracht werden, so soll der Delinquentus auf oeffentlich errichtetem Scheiterhaufen verbrannt werden. Auf solch endlich Straf mag nur gegen solche Miszethaeter, die der Hexerey, schwarzmagischen Kuenste oder Daemonologie ueberfuehrt worden, erkannt werden.

Art. VII. Vom Tode durch das Richtschwert

Item, hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll durchs Richtschwert vom Leben zum Tode gebracht werden, so kniet sich der Delinquentus vor den Richtblock. Der Hencker aber soll mit einem Hiebe entweder den Kopf vom Rumpfe loesen oder das Herz durchstoszen. Braucht der Hencker hernach aber mehr als einen Hieb oder Stosz, so verwirckt er ein Wergeld in Hoehe von fuenf Kupfer zugunsten der Familie des Delinquentus oder in Ermangelung dersellben zugunsten des jeweyligen Lehensherrn. Solcherart sey a posteriori der Todt durch das Richtschwert dem Adelsstande vorbehalten, in explicio dem ersten bis dritten Bluthrange.

Art. VIII. Vom Tode durch das Richtbeyl

Item, hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll durchs Richtbeyl vom Leben zum Tode gebracht werden, so kniet sich der Delinquentus vor den Richtblock und legt seinen Kopf auf diesen. Der Hencker aber soll mit einem Hiebe den Kopf vom Rumpfe loesen oder, so der Richtspruch hierauf ob der besonderen Schwere der Miszethat erkennet, den Schaedel spalten. Der Todt durch das Richtbeyl iszt den Freien und Buergerlichen vorbehalten.

Art. IX. Vom Tode durch den Strang

Item, hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll durch den Strang vom Leben zum Tode gebracht werden, so wird der Delinquentus entweder auf einen Karren gestellt, das vom Hencker geknuepfte Seil um seinen Hals festgezurret und dann ueber einen hohen Balken geworfen, gespannt und befestigt. Hernach treibt der Hencker den Karren an. Oder aber der Delinquentus soll auf einen Stuhl gebunden und hernach durch den Hencker erdrosselt werden.

Art. X. Vom Tuermen

Hat der Beklagte seyn Leben verwirckt und soll vom Leben zum Tode gebracht werden und lautet der Richtspruch derethalben aufs Tuermen, so wird der Delinquentus auf einen Turm, Felsen oder eine Sturmklippe verbracht. Hernach mag er freywillig sich hinabstuerzen oder in Ermangelung solcher Entscheydung wird er vom Hencker hinunter gestoszen. Auf Tuermen mag nur gegen Beklagte von Stand erkannt werden.

Liber secundus – Von derley Miszethaten

Capitulum Primum: Verschiedentliche Miszethaten wider die Krone und das Reych

Art. I. Vom gemeynen Verrat

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher durch Gewalt oder Verschwoerung es zu unternehmen waget, den Bestand der Krone oder des Reyches zu beeintraechtigen oder die bestehende von den Ewgen gegebene Ordnung, wie auch die Gesetze, Regularien und Edicte der Krone zu veraendern sucht, ist des Hochverrats fuer schuldig zu befinden und wird mit dem Tode bestraft. Der Miszethaeter gilt fuerderhin als ehrlos. Seyn Hab und Gut und sonstiges Vermoegen faellt der Krone an. Seyne Sippe faellt in Schuldknechtschaft der Krone.

II. Item, solcherart Miszethaeter, welcher Wissen oder Geheimnis von besonderem Gewichte fuer die Krone oder das Reych oder einen Landesherrn weitergibt, um der Krone, dem Reyche oder dem Landesherren zu schaden, ist des Landesverrats fuer schuldig zu befinden und wird mit dem Tode bestraft. Der Miszethaeter gilt fuerderhin als ehrlos. Seyn Hab und Gut und sonstiges Vermoegen faellt der Krone oder dem jeweyligen Landesherrn, ob welcher Klage gegen ihn gefuehret, an.

III. Solcherart Klage wider den Miszethaeter wegen Hochverrats vermag nur durch die Krone oder den Reychshochrichter erhoben werden.

IV. Solcherart Klage wider den Miszethaeter wegen Landesverrats vermag alldieweyl durch die Krone oder den Reychshochrichter, als auch jeden Landesherren erfolgen.

Art. II. Vom Aufruhr stiften

I. Item, jener Miszethaeter, der andere, gleych welchen Standes, zum Zwecke der oeffentlichen Unruhe aufwiegelt oder zum Hochverrate oder Landesverrate anhaelt, ist des Aufruhr stiftens fuer schuldig zu befinden und wird mit dem Tode bestraft. Der Miszethaeter gilt fuerderhin als ehrlos.

II. In derley Faellen von geringester Bedeutung oder da sich kein anderer ehrbarer Buerger aufwiegeln lasset, mag statt der endlichen Straf die Verbannung wider den Miszethaeter verhaenget werden. Ferner soll ihm die Zunge herausgeriszen werden.

Art. III. Vom Bruch des Landfriedens

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher oeffentliche Anordnungen, in explicio koeniglichen oder landesherrlichen Edicten nicht befolget oder welcher wider den Anweysungen von Wuerdentraegern und Amtsinhabern des Reyches, in explicio koeniglichen Boten, Herolden, Richtern und Urteyhlern oder Buetteln handelt, ist des Landfriedensbruchs fuer schuldig zu befinden und wird mit wenigstens acht Tagen Kerker oder, so dasz Gerichte dies erachtet, mit Auspeitschen von wenigstens fuenf Hieben bestraft.

II. Item, solcherart der Miszethaeter der Anordnung oder Anweysung hernach abermals nicht Folge leistet, soll er mit Verbannung von wenigstens drey Mondenlaeufen bestrafet werden.

III. Item, solcherart die Anweysung des Wuerdentraegers oder Amtsinhabers einem hoeheren Rechte oder Gesetze zuwider ist, soll allenthalben lediglich eine billige Geldbusze wider den Miszethaeter verhaenget werden.

IV. Wer solcherart, seyner Steuerpflicht nicht nachkommet, in explicio den Zehnt, Uelft oder das Vierzigstel nicht zahlet, soll bestrafet werden, wie hervor im dritten Absatze geregelt.

V. Wer aber den Gerichtsfrieden stoert, der soll bestrafet werden, wie hervor im ersten Absatze geregelt.

Art. IV. Von der Conterkarierung

I. Ist da einer, der eine wider einen anderen Miszethaeter verhaengte Geldbusze zahlet oder eine wider einen anderen zu Recht erkannte Strafe zu vereiteln suchet, ohne der Erlaubnis der bestimmenden und ausfuehrenden Maechte, der ist der Conterkarierung fuer schuldig zu erachten und, je danach wie schwer wohl die vereitelte Straf oder verhaengte Busze wiegt, mit wenigstens zwey Wochen Kerker, Auspeitschen mit zehn Stockhieben oder mit Bauch durchstoszen zu bestrafen.

II. So es dem Gerichte fuer recht und billig erscheint, mag es dem Miszethaeter auch jene Straf oder Busze auferlegen, welcher er zu conterkarieren ersucht.

III. Wie vordem sollen die Richter und Urtheyler durch die Landesherrlichkeyt bestrafet werden, die eine Verhandelung in einer Rechtssache unterbrechen und nach dem uelften Tage ohne Grund nicht fortfuehren.

Art. V. Von der Verunglimpfung und Veraechtlichmachung

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher das Bildnis der Krone oder deret Anverwandter, des Adels, Clerus oder der Hohen Wuerdentraeger der Academia Clavis Mundi, wie auch der Reychsfahne oder des Reychswappens, wie auch der Landeswappen abaendert, dergestalt dasz die Integratio des Reyches oder einer Laenderey oder der erwaehnten Personen verletztet, gefaehrdet oder diese in Sinn und Zweck entstellet werden, ist der Verunglimpfung und Veraechtlichmachung fuer schuldig zu befinden und wird mit Auspeitschen von wenigstens drey Hieben bestraft. Zugleych faellt er fuer einen Mondenlaufe in die Schuldknechtschaft desjenigen, wessen Bildnis betroffen.

II. Kommt es hierob zu einem Aufruhr oder gar einer Fehde, ist er nach den dort entsprechenden Regularien zu bestrafen.

III. Je danach welche Schwere das Gericht der Miszethat beymiszt, soll Haus und Hof des Miszethaeters mit Fackeln entzuendet und bis auf die Grundmauern niedergebrannt werden. Geschiehts aber, dasz die Fackeln oder das brennend Gehoeft durch einen Regen geloescht werden, so soll man hiervon ablaszen.

Capitulum Secundum: Von Miszethaten wider Leyb und Leben

Art. I. Vom Morde

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher einem anderen Mann oder Weyb, gleych welchen Standes, nach dem Leben trachtet und die Tat willentlich plant, hinterhaeltig oder verschlagen oder in uebler Absicht veruebt und jener verstirbt, ist des Mordes fuer schuldig zu befinden und wird mit dem Tode bestraft. Solcherart er nicht von adeligem Stande soll er hierob aufs Radt geflochten, ertraenkt oder am Galgen erhaengt werden.

II. Solcherart der andere Mann oder das Weyb nicht verstirbt, soll der Miszethaeter wegen versuchten Mordes mit allweyliger Kerkerhaft bestrafet werden. Zugleych faellt er in Schuldknechtschaft des anderen.

Art. II. Vom Totschlag

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher einen anderen Mann oder ein Weyb, gleych welchen Standes, toetet, sey es dasz er nicht bey Sinnen, vom Rausch entgeistert, von Zorn entbrannt, oder sonst willenlos und ohne Herr seyner selbst zu seyn oder dasz der Getoetete ihn zuvor gereizt, ist des Totschlags fuer schuldig zu befinden. Der gemeyne Totschlaeger soll ausgepeitscht und fuer drey Tage und Naechte an Pranger gestellt werden. Fuer diese Zeyt soll er rechtlos gestellt werden, es sey denn dasz seine Schuldigkeyt als gering anzusehen ist. Er hat der Sippschaft des Getoeteten ein Wergeld zu entrichten, sonst er in Schuldknechtschaft derselben faellt.

II. Der Adlige aber soll ein Fuenftel der Einkuenfte eines Mondenlaufes an die Sippschaft des Getoeteten entrichten oder selbiger die Steuern fuer zweye der Mondenlaeufe erlaszen. Darob hinaus soll er eine Geldbusze an die Krone oder die Landesherrlichkeyt zahlen. Handelt der Adlige zum wiederholten Male soll er dagegen verbannt werden fuer wenigstens ein Jahr und einen Tag und erst hernach um Rueckkehr bey seynem Lehensherrn ersuchen.

III. Solcherart der Miszethaeter nicht aus einem Grenzbruecker Lande stammt, soll er gleych welchen Standes, zum Tode verurteyhlt werden und wider ihn eine erhoehte Geldbusze verhaengt werden.

Art. III. Vom Maltraetieren des Leybes

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher den Leyb eines anderen maltraetieret, in explicio niederschlaegt, eine Wunde zufuegt oder sonst in schaendlicher Art und Weys verletzt, ist der Leybesmaltractur fuer schuldig zu befinden und wird mit einer Geldbusze belegt. Ist die Miszethat von achtlicher Schwere oder Schuldigkeyt, so soll der Miszethaeter mit Pranger von bis derley vier Tag ohne aber rechtlos gestellt zu werden oder mit Auspeitschen von mindestens drey Hieben gestraft werden. Der Miszethaeter hat dem Geschundenen ein Wergeld zu entrichten.

II. Kommt es derethalben bey der Miszethat dazu, dasz der andere ein Glied, in explicio einen Arm oder ein Bein, ein Ohr oder Aug verlieret oder schaendlich entstellt wird, so soll der Miszethaeter zuerst mit Auspeitschen von mindestens drey Hieben und hernach mit Kerker von mindestens einem Mondenlauf und einem Tag belegt werden. Der Miszethaeter hat dem Geschundenen ein Wergeld zu entrichten. Erachtet hierbey der Richter oder Urteyler, dasz die Miszethat von erheblicher Schwere ist, so soll der Richtspruch nach dem Principio Aug fuer Aug, Zahn fuer Zahn erfolgen.

III. Solcherart Miszethaeter, der bey der Tat sich eines Werkzeugs, eines schaendlich Giftes oder gar einer Waffe bedient, soll mit erhoehtem Wergeld belegt werden und hernach fuer zwey Tag an Pranger gestellt oder fuer halben Mondenlauf in Kerkerhaft genommen werden.

Capitulum Tertium: Miszethaten wider Besitz und Eygentum

Art. I. Vom gemeynen Betrug

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher Falsches sprechet oder vorgibt und hierdurch den Eindruck der Richtigkeyt selbigen zu erwecken sucht, um sich darob an eines anderen Hab und Gut guetlich zu halten, ist des gemeynen Betruges fuer schuldig zu erachten und soll mit Pranger und Brandmarckung belegt werden.

II. Solcherart der Miszethaeter aber erneut oder zum wiederholten Male handelt oder dasz ein anderer hierdurch in Armut oder Schuldknechtschaft faellt, soll dem Miszethaeter die Zunge ausgeriszen werden. Anstelle des Geschaedigten soll der Miszethaeter die Schuldknechtschaft uebernehmen.

III. Item, soll der Betrueger dem Geschaedigten den Schaden alldieweyl in doppelter Hoehe vergelten. Vermag der Miszethaeter dies nicht zu leisten, so soll der Geschaedigte bey der Krone oder der Landesherrlichkeyt oder dem Gerichte um andere Strafe ersuchen.

Art. II. Vom gemeynen Diebstahl

I. Item, wer eines anderen Guth und Eigentum fortnimmt, um es fuer sich zu verwenden, der ist des Diebstahls fuer schuldig zu befinden. Solcherart der Miszethaeter erstmalig handelt, soll er mit Pranger und Brandmarckung, so er zum zweyten Male handelt mit Abhacken der jeweylig stehlenden Hand, so er aber zum dritten Male handelt mit dem Tode durch den Strang bestrafet werden.

II. Hernach wird ebengleych bestrafet, wer den Besitz eines anderen bricht.

III. Der ungerechtfertigte Besitz ist an den Eigentuemer zurueckzuleisten und ein Wergeld zu entrichten.

IV. Solcherart der Miszethaeter aber ein gewichtig Guth, als in explicio eine solche im Eigentume der Krone oder einer Landesherrlichkeyt oder zum Leben notwendig Guth stiehlt, soll gleych einem wiederholten Diebe bestrafet werden.

V. Item, jener Miszethaeter, der Korn stiehlt, soll mit dem Tode durch den Strang gerichtet werden.

VI. Solcherart der Miszethaeter von Stand oder von Wuerden, wird er fuerderhin ehrlos und seyner Privilegien fuer verlustig erklaert.

Art. III. Vom Raube

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher einen gemeynen Diebstahl begehet und dabey den Geschaedigten mit Gewalt an Leyb oder Leben maltraetiert oder solches androht, ist des Raubes fuer schuldig zu befinden und wird mit dem Tode durch den Strang bestraft.

II. Sey es, dasz die Miszethat von einiger Schwere und Schuldigkeyt sich darstellt, so soll der Miszethaeter geraedert, gepfaehlt oder ertraenkt werden.

III. Solcherart die Schuld des Miszethaeter aber gering ist, als in explicio weder durch Gewalt noch Drohung mitselbiger, sondern vielmehr durch Ausnutzen der mangelnden Obacht des Beraubten die Miszethat begangen, und von Hunger und Durst getrieben, so ist der Miszethaeter des Mundraubes fuer schuldig zu befinden. Solchem Mundraeuber ist die Zunge herauszureiszen, auf dasz er nicht wieder in den Genusz von Speys und Trank gelange. Solcherart der Miszethaeter sich hiervon nicht schrecken laeszt und abermals solch Miszethat begeht, soll er aber geblendet werden, um nicht erneut der Versuchung durch Anblick von Speys und Trank zu erliegen.

IV. Dem Miszethaeter ist ein erhoehtes Wergeld aufzuerlegen. Ein Schuldgeld soll nicht erhoben werden.

Art. IV. Vom Beschaedigen fremden Eigentums

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher an anderen Mannes oder Weybes Guth Schaden anrichtet oder solches zerstoert, ist der Beschaedigung fremden Eygentums fuer schuldig zu erkennen und soll mit Geldbusze belegt werden.

II. Wer seyn Vieh in fremdes Korn treibt, der soll den Schaden begleychen und hierob ferner ein erhoehtes Schuldgeld zahlen.

III. Item, wessen Hund, Habicht, Falke oder anderes Jagdtier anderem Mann oder Weyb schadet, soll hierob ein Wergeld und ein Schuldgeld zahlen. Das Tier aber soll ersaeuft oder ihm der Hals umgedreht werden.

IV. Item, wessen Vieh einem anderen Mann oder Weyb Schaden zufuegt, der soll hierob ein angemessen und billig Wergeld zahlen.

Art. V. Von der Nachbarschaft

I. Item, sey hiermit bestimmt, dasz Backoefen und Schweynekoben derer drey altbelarthische Fusz vom Zaun entfernt nur errichtet werden sollen, damit dem Nachbarn hieretaus kein Unheyl oder Unbil widerfaehrt. Wer seinen Ofen befeuert, musz Sorge und Obacht hierob tragen, auf dasz keine Funken auf des Nachbarn Grund fliegen.

II. Die Frucht von solcherart Gezuecht, was ueber die Grenze auf den Hof des Nachbarn hintueber waechst, stehe dem Nachbarn zu. Ebenso, wenn die Frucht sich loest und auf dem Grund und Boden des Nachbarn liegen bleibt.

Capitulum Quartum: Miszethaten wider Ehre und Namen

Art. I. Von der gemeynen Beleidigung

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher durch gesprochenes Wort die Ehre oder Wuerde eines Herrn oder einer Dame von Stand in verletzlich Art und Weys oeffentlich in Mitleidenschaft ziehet, der soll wegen Beleidigung fuer schuldig befunden und mit zwey Tagen Pranger oder Auspeitschen von im Mindesten zwey Hieben bestraft werden. Ferner soll er dem Herrn oder der Dame ein Wergeld zahlen.

II. Item, solcherart Miszethaeter, welcher wider denselbigen Herrn oder dieselbige Dame abermals eine Beleidigung ausspricht, dem soll hierob die Zunge herausgeriszen werden.

III. Der Herr, welcher die seyne oder die Ehre einer Dame verteidigt, indem er den miszethaeterlichen Beleidiger umgehends niederschlaegt oder sonst zuechtigt oder ihn zu einem Kampfe auffordert, soll straffrey bleiben. Der Miszethaeter soll aber hierethalben nicht zu Tode kommen, es sey denn dasz solcherart ein Streyt auf Leben und Todt vereinbart.

Art. II. Von solcherart geschriebener Beleidigung

Item, solcherart Miszethaeter, welcher die Beleidigung durch geschrieben Wort niederlegt oder sonst scribiert, soll ebengleych mit Pranger von drey Tagen oder mit Auspeitschen von wenigstens vier Hieben gestraft werden. Ferner moegen ihm, auf besondere Nachsuche des Herrn oder der Dame, die Finger der federfuehrenden Hand abgehackt werden.

Capitulum Quintum: Miszethaten wider die Standesordnung

Art. I. Vom widerrechtlichen Beischlaf

I. Item, jener Miszethaeter, welcher ein Weyb schaendet, solcherart naemlich dasz er wider den Willen des Weybes mit ihr den Geschlechtsakt vollfuehret, der ist des widerrechtlichen Beischlafs fuer schuldig zu sprechen und mit Brandmarckung zu strafen.

II. Solcherart der Miszethaeter abermals ein Weyb schaendet soll er ferner entmannt werden.

III. Allenthalben hat der Miszethaeter dem gerechten Ehemanne des Weybes ein billiges Wergeld fuer die Verletzung der Mannesehre zu entrichten und wohl fuer eine Leybeigene soll er einen Zugochsen, fuer eine Magd soll er ein Lastgespann und fuer ein freies Weyb ein Mastschweyn entlohnen. Solcherart das geschaendete Weyb noch unbeflecket, soll ein entsprechend hoeheres Wergeld entrichtet werden.

IV. Solcherart das geschaendete Weyb von adligem Stande oder Traegerin von gesonderter Ehre und Wuerde, mag die Dame beim Gericht ersuchen, den Miszethaeter fuer fuenf Jahr und Tage zu verbannen.

V. Item, verstirbt das Weyb infolge der Schaendung, in explicio bey der Geburth eines Bastards, so hat der Miszethaeter das zweyfache Wergeld zu ersetzen. Sollt ihm dies nicht moeglich seyn, so mag der gerechte Mann des verstorbenen Weybes, das Weyb des Miszethaeters oder dessen Toechter in Schuldknechtschaft nehmen.

VI. Solcherart eine Dame von Stand ob der Schaednung verstirbt, so mag der gerechte Ehemann der Dame beim Gerichte nachsuchen, dasz der Miszethaeter fuer vogelfrey erklaert wird.

Art. II. Vom Ehebruch

I. Item, solcherart Weyb, dasz im Verlaufe der Ehe sich mit einem anderen Manne danieder legt, soll des Ehebruchs fuer schuldig befunden werden. Derethalben soll es durch die Stadt geschliffen, mit fuenf Stockhieben maltraetiert, an Pranger gestellt und gebrandmarckt werden, es sey denn, dasz es sich allweylig in die Obhuth einer Schwesternschaft der heyligen Myrn begebe. Dem Ehemann aber steht es hernach frey, sein Versprechen zu loesen, das Weyb zu verstoszen und ihren Besitz einzubehalten.

II. Ebensolch ein Weyb, dasz aber und abermals den Ehebruch begeht, soll durch Ertraenken oder Tuermen vom Leben zum Tode gebracht werden, da sie hierdurch erwiesen, dasz ihr Geist und Fleisch schwach sind.

Art. III. Von der Hurerey

I. Item, ist die Hurerey nur an solcherart gesondert Orthen und nur dem Weybe des fahrenden Volckes erlaubt.

II. Eine Metze oder Hure aber, welche ihren Leyb auf oeffentlichem Weg oder Platzc feil bietet, soll zum Tode durch das Radt verurteyhlt werden.

Art. IV. Von der Untreue

I. Item, solcherart Weyb, welches wider dem Ehegeluebde ihrem Mann nicht treu ist, aber nicht Ehebruch begeht, also in explicio sich nicht mit einem anderen Mann darnieder legt, ist der Untreue schuldig. Hierob mag der Ehemann derselbigen Miszethaeterin diese am Leybe zuechtigen, ohn dasz es der Anrufung eines Gerichtes bedarf.

II. Solcherart der Ehemann dennoch das Gericht um Strafe ersuchet, so ist das Weyb der Untreue fuer schuldig zu befinden und mit zwey Tagen Pranger, drey Stockhieben oder anderweitig angemessener Reustrafe zu belegen.

Art. V. Von der Sodomie

Item, solcherart Miszethaeter, welcher sich am Vieh oder an sonstigem Getier ob seines Triebes vergeht, ist der Sodomie fuer schuldig zu befinden und soll mit vier Tagen Pranger und Entmannen gestraft werden. Dem Eigner des Viehs oder Tiers hat er ein Wergeld zu entrichten, gleychsam zufoerderst bereits bey der Beschaedigung beschrieben.

Capitulum Sextum: Gemeynschaedliche Miszethaten

Art. I. Von der Faelschery

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher Urkunden, Stammbaeume, Karten, Buecher, Muenzen und Siegel unbefugt nachahmt oder neu erstellet oder in Masz und Soll, Zahl oder Gewicht veraendert, ist der Faelscherey fuer schuldig zu befinden und wird mit Blenden bestraft. Ferner hat er der Krone oder der jeweiligen Landesherrlichkeyt ein Schuldgeld zu entrichten.

II. Solcherart der Miszethaeter sich wider eines koeniglichen Siegels oder einer Grenzbruecker Muenze vergeht, soll er aber mit dem Tode bestraft werden. Hernach soll er gepfaehlt oder ertraenckt werden.

III. Handelt er aber wider das Siegel eines Adligen oder einer Stadt oder der Academia Clavis Mundi oder des Clerus oder einer Kontorey oder einer Zunft oder Gilde, so soll er aber mit Kerkerhaft von einem Jahr und einem Tag und mit Blenden bestraft werden. Ferner hat er ein erhoehtes Schuldgeld zu zahlen.

Art. II. Von der Brandstiftung

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher absichtlich zum Schaden anderer Feuer legt, ist der Brandstiftung fuer schuldig zu befinden und mit dem Tode auf dem Scheiterhaufen zu strafen.

II. Das Vermoegen desselbigen und das Hab und Gut seyner Sippschaft fallen der Krone an.

Art. III. Von der Giftmischerey

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher zum Schaden eines anderen Gift herstellt, gleych ob Tinctur, Pulver oder in anderer Art und Weys, oder damit Handel treibt oder es sonst weiterreycht, ist der Giftmischerey fuer schuldig zu erachten und soll darob ertraenckt werden, es sey denn dasz er eine Concessio der Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis innehat, solcherart zu tun und zu handeln. Seyn Hab und Gut oder sonstiges Vermoegen faellt hernach der Academia Clavis Mundi an.

II. Item, der Miszethaeter einen Brunnen oder ein anderes Gewaesser mit dem Gift versieht und ein anderer kommt hierob zu Schaden oder gar zu Tode, so ist er der gemeyngefaehrlichen Vergiftung fuer schuldig zu befinden. Wider ihn soll der Richtspruch auf Tod durch Ertraencken lauten. Er hat zuvor ein Wergeld dem Geschaedigten zu entrichten. Seyn Hab und Gut oder sonstiges Vermoegen faellt hernach der Academia Clavis Mundi an.

III. Solcherart mag die Erstellung, das Handeltreiben und Feilbieten, wie auch die Weiterreychung und Verabreychung anderer Tincturen, Pulver und Substancien als Gifte, mit Concessio der Academia Clavis Mundi erlaubt werden. Solcherart im Corpus Iuris Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis geregelt. Wer hierob jedoch ohne eine solche Concessio handelt, verwirckt eine Geldbusze und ein Wergeld gegenueber der Academia Clavis Mundi.

IV. Solcherart mag die Hohe Academia Clavis Mundi bey diesen Miszethaten, so sie nicht a priori selbst die Klage ersucht, zu jeder Zeyt diese von dem Reychshochrichter oder sonstigem Anklaeger uebernehmen.

Art. IV. Von unmaesziger Trunckenheyt

Item, wer sich der Trunckenheyt hingibt und im Rausch eine Miszethat begeht und eine Strafe verwircken wuerd, der ist der unmaeszigen Trunckenheyt fuer schuldig zu befinden und soll mit Auspeitschen von wenigstens sieben Hieben bestrafet werden, je danach wie schwer die andere Tat wieget. Hernach soll er fuer vier Tag an Pranger gestellt werden. Die Straf fuer die andere Tat soll nur mit einem erhoehten Wergeld belegt werden.

Art. V. Vom schadhaften Wircken von Magie, verbotene Hexerey und anderer Zauberkunst

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher absichtlich und zum Schaden eines anderen Magie, Hexerey oder Zauberkunst nutztet, um in explicio eine andere Miszethat hierdurch zu begehen, zu erleichtern oder zu verschleiern, ist des schadhaften Wirckens von Magie fuer schuldig zu befinden und soll darob auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden, es sey denn dasz er eine Concessio der Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis innehat, solcherart zu tun und zu handeln oder dasz er eine Noththat begehet. Seyn Hab und Gut oder sonstiges Vermoegen faellt hernach im uebrigen der Academia Clavis Mundi an.

II. Item, solcherart Miszethaeter, welcher nicht an der Hohen Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis inscribiert iszet und sich hierob der schwarzmagischen Zauberey, der Daemonologia oder Necromantia verschrieben hat, ist der verbotenen Hexerey fuer schuldig zu befinden und soll darob auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Seyn Hab und Gut oder sonstiges Vermoegen faellt hernach im uebrigen der Krone an.

III. Solcherart mag das Wircken und die Anwendung anderer Art und Weysen der Zauberkuenste als solch schadhafte Magie oder verbotene Hexerey mit Concessio der Academia Clavis Mundi erlaubt werden. Solcherart im Corpus Iuris Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis geregelt. Wer hierob jedoch ohne eine solche Concessio handelt, verwirckt eine Geldbusze und ein Wergeld gegenueber der Academia Clavis Mundi. Laeszt sich der Miszethaeter hiervon nicht schrecken und handelt abermals so wie im vorhinein beschrieben, soll er vier Tag am Pranger bueszen und fuer rechtlos erklaert werden. Er faellt ferner in Schuldknechtschaft der Academia Clavis Mundi.

IV. Solcherart mag die Hohe Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis bey diesen Miszethaten, so sie nicht selbst a priori die Klage ersucht, zu jeder Zeyt diese von dem Reychshochrichter oder sonstigem Anklaeger uebernehmen.

V. Unter das Wircken von Magie faellt hernach ebenso, dasz Wircken uebernatuerlicher Wunder und anderer Effecte durch Anbetung, Incantation oder auf sonstige Weyse eines vermeintlichen Gottes oder einer vermeintlichen Gottheyt, welche nicht dem allerheyligsten Pantheon des Reyches angehoeret. Solcherart Clerus aber, welcher sich in den Dienst der allerheyligsten und alleyn wahrhaftigen Goetter des Grenzbruecker Reyches gestellt und daher den hoechsten aller Pflichten unterworfen, bedarf naturgemaesz keyner Concessio, wie vorangehend beschrieben.

Capitulum septimum: Miszethaten wider die oeffentliche Ordnung

Art. I. Von der Bestechung

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher einem Adelsmann, einem Wuerdentraeger der Academia Clavis Mundi oder des Clerus, einem Richter oder Urteyhler oder sonstigem Amtmann einen Vorteyl, in explicio Geld, Guether und sonstiges Geding, feilbietet, damit jener ihm ebengleych eine nicht gebotene oder widerrechtliche Amtshandlung vornehme, ist der Bestechung fuer schuldig zu erkennen und mit Auspeitschen nicht minder fuenf Hieben, wie mit einer Geldbusze zu belegen.

II. Ferner hat er ein erhoehtes Schuldgeld zu zahlen. Die hierauf ergangene Amtshandlung gilt als nicht geschehen, noch geschrieben. Allethalben sind ihre Wirckungen auszer Kraft zu setzen und rueckgaengig zu machen.

Art. II. Von der Bestechlichkeyt

Ein solcher Amtmann, als zuvor genannt, der den ihm feilgebotenen Vorteyl annimmt, ist der Bestechlichkeyt fuer schuldig zu befinden und wird aus dem Amte verwiesen. Er ist an Pranger zu stellen und fuer rechtlos zu erklaeren. Hernach sollen ihm beide Haende abgetrennt und er allweylig aus dem Reyche verbannt werden.

Art. III. Vom Meineyd und Luegenrede

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher vor der Krone oder der Landesherrlichkeyt oder vor Gerichten gleych welchen Standes, falsches Zeugnis ablegt oder lueget oder sonst nicht der Wahrheyt entsprechend Wort spricht, ist des Luegenrede fuer schuldig zu befinden und wird mit einem Mondenlauf Kerker bestraft. Ward der Miszethaeter von adligem Stande oder ein Wuerdentraeger, so gilt er fuerderhin als ehrlos und seiner Privilegien als verlustig.

II. Item, der Miszethaeter, der hierob wagt seine Luegenrede noch zu beschwoeren bey den Ewgen und Heyligen und dem Gesetze, der ist des Meineydes fuer schuldig zu erachten und soll mit zwey Mondenlaeufen Kerkerhaft belegt werden. Hernach ist er einem clericalen Gerichte zu ueberantworten und nach dem Codex Contra Maleficarum zu richten.

Art. IV. Vom Gluecksspiel

I. Item, das Gluecksspiel ist nur in Tavernen, Herrlagern oder an solchen Orthen, da die Hurerey erlaubt, zulaessig.

II. Wer also daher, an einem anderen Orthe dem Gluecksspiel nachgeht oder es anderen erlaubt, dem Gluecksspiele nachzugehen, der verwirckt eine Geldbusze und ein Schuldgeld. Ferner soll der Buettel oder Amtmann, dasz beym Spiele erlangte Geld oder sonstige Hab und Gut in Beschlag nehmen und hernach an die Landesherrlichkeyt uebergeben.

Art. V. Von grobem Unfug und unmaesziger Narretey

I. Item, solcherart Miszethaeter, welcher eine Handlung vornimmt oder vorzunehmen sucht, die geeignet, das friedliche und wohlwollende Miteinander im alltaeglichen Leben zu beeintraechtigen, ist des groben Unfugs und der unmaeszigen Narretey fuer schuldig zu befinden und solcherart nach Guthduencken des Gerichtes mit einem Tag Pranger, fuenf Stockhieben oder mit Sehnen durchschneiden oder Zunge herausreiszen, zu strafen.

II. Auf gesondertes Nachsuchen der Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis mag auch das unnuetze Wircken von Magie als grober Unfug verfolgt werden.

Liber tertius – Ueber das Gericht, die Verhandelung und von der Art des Richtens

Capitulum Primum: Wie das Gerichte zu besetzen ist, von Zustaendigkeyt und Strafmacht

Art. I. Von den verschiedentlichen peynlichen Gerichten

I. Item, soll hernachfolgend unterschieden werden zwischen dem ordentlichen und dem besonderen Schwurgerichte, dem peynlichen Halsgerichte und dem Standgericht als derethalben diese die peynliche Gerichtsbarkeyt fuerderhalb vercoerpern.

II. Solcherart soll das ordentliche Schwurgerichte mit einem Richter und einem Schreyber besetzet werden. Das ordentliche Schwurgericht ist im uebrigen an keine gesondert Foermlichkeyt gebunden, es sey denn dasz hernachfolgend ausdruecklich ein anderes bestimmt ist. Die peynliche Befragung oder Tortur ist nur in gesondert Faellen gestattet.

III. Item, das besondere Schwurgericht soll mit drey Urtheylern, von denen auch zwey Laienschoeffen seyn moegen und einem Schreyberling besetzt werden.

IV. Das peynliche Halsgericht aber soll mit fuenf Urthelyern besetzt werden. Hernach sollen zwey Richter oder die Landesherrlichkeyt hierunter vertreten seyn und drey Geschworene. Ferner soll ein Schreyberling die Verhandelung und das Urtheyl niederschreiben.

V. Item, das Standgericht soll im besten Falle mit einem Richter und zwey Schoeffen, wie auch einem Schreyberling besetzet werden. Finden sich hernach keine zwey Schoeffen, so mag an deren Stelle auch der Richter alleyn entscheiden. In jedem Falle aber musz dem Richter des Standgerichts diese Zustaendigkeyt durch die Krone, den Reychshochrichter oder die Landesherrlichkeyt gesondert verliehen worden seyn. Die Krone, der Reychshochrichter, sowie der erste und zweyte Bluthrang vermoegen aber jederzeit einem Standgerichte vorzusitzen.

Art. II. Von Zustaendigkeyt und Strafmacht deret verschiedentlichen Gerichten

I. Das ordentliche Schwurgericht ist in solch simplen Faellen niederer Miszethaten berufen, welche nicht mit einer endlich Straf verbueszt werden. Daher mag das ordentliche Schwurgericht auch nicht auf eine solche endliche Straf erkennen. Das ordentliche Schwurgericht mag derhalben auch niemanden fuer vogelfrey erklaeren oder am Pranger fuer rechtlos stellen. Wird solcherart Straf vom Klaeger angesinnt, so soll er das besondere Schwurgericht directer anrufen. Wider ein Urtheyl des ordentlichen Schwurgerichts ist die Berufung zugelassen, es sey denn, dasz der Beklagte freigesprochen oder im Richtspruche lediglich mit einer Geldbusze, mit Wergeld oder mit Schuldgeld belegt ward.

II. Item, das besondere Schwurgericht ist ob der Berufung wider ein Urtheyl des ordentlichen Schwurgerichts berufen, also dann, wenn wider das Urtheyl des ordentlichen Schwurgerichts eine solche zugelassen. Das besondere Schwurgericht mag eine neuere auch schwerere Straf verhaengen, insbesondere mag es den Beklagten fuer vogelfrey erkennen oder ihn am Pranger rechtlos stellen. Es mag aber nicht auf eine andre endlich Straf erkennen. Ist ehedem vor der Verhandelung erkennbar, dasz nur eine solche der vorgenannten schweren Reustrafen in Betracht kommt, dann soll der Klaeger seine Klage umgehends und directer beym besonderen Schwurgerichte erheben. Wider das Urtheyl des besonderen Schwurgerichts findet kein Rechtsmittel statt.

III. Solcherart ist das peynliche Halsgericht in allen Faellen solch capitaler Miszethaten berufen, in explicio dem Verrat, dem Aufruhr stiften, dem Bruch des Landfriedens, dem Mord und der Faelscherey, als eine endliche Straf durch den Beklagten verwirckt seyn koennt. Das peynliche Halsgericht mag hernach auf jede Straf erkennen, in explicio auch alleyn auf eine Busze oder Reustraf, naemlich dann, wenn sich die Miszethat nach der Verhandelung anders und als niedere Miszethat darstellet, als durch die Klage angenommen. Das peynliche Halsgericht soll sich gegenueber dem Beklagten der Tortur bedienen, solcherart Zweyfel nach Red und Widerrede immer noch bestehen, es sey denn, dasz dieser von selbst gestaendig iszet. Wider das Urtheyl des peynlichen Halsgerichts findet kein Rechtsmittel statt.

IV. Item, soll ein Standgericht in solch Faellen besonderer Dringlichkeyt einberufen werden, in explicio dann, wenn ueber einen Landstrich das Kriegsrecht ausgerufen iszt oder aber in solchen Faellen, die ob ihrer besonderen Bedeutung kein Aufschub dulden, in explicio beym Verrat, beim Aufruhr stiften und beim Bruch des Landfriedens oder im Felde. Das Standgericht soll sich stets der Tortur wider den ungestaedigen Beklagten bedienen. Es ist an keine gesonderte Foermlichkeyt gebunden, es sey denn, dasz hernachfolgend in explicio anderes geregelt. Das Standgericht mag auf jede Strafe erachten. Wider seyn Urtheyl findet kein Rechtsmittel statt. Das Urtheyl des Standgerichts soll unmittelbar nach dem Richtspruche vollstreckt werden, so dies moeglich. Ein Standgericht gegen den ersten, zweyten oder dritten Bluthrang des Adelsstandes ist aber unzulaessig und solch ein Richtspruch fuerderhin nichtig.

Art. III. Von Richtern, Urtheylern, Schoeffen und Schreyberlingen

I. Zu Richtern und Urtheylern sollen nur ehrbare, rechtschaffene, muendige und verstaendige Adlige oder freye Buerger berufen werden. Soll derethalben ein Buerger zum Richter ernannt und daher in Amt und Wuerden eingefuehrt werden, so musz er nachweysen, dasz Recht gedeihlich studiert und verstanden zu haben, dasz er alldieweyl nie selbst einer Miszethat bezichtigt oder gar verurtheylt worden ist und dasz er der Krone und dem Reych, wie dem Rechte zu dienen gewillt ist. Dies habe er zu beeyden, indem er vor den Reychshochrichter oder die jeweilige Landesherrlichkeyt trete und hernach spricht: So buerge ich, N.N., hier vor Euch stehend, bey den allheyligen Ewgen, dasz ich mein Amt als Richter fuerderhin und fuer alle Zeyt dem Willen der Krone entsprechend, daher dem Gesetze treu, dem Rechte verbunden und der Gerechtigkeyt verpflichtet, ausueben will. Ferner beeyde ich, dasz ich niemals in keinem Teyle des Reyches einer Miszethat bezichtigt oder gar verurtheylt bin. Zu Richtern oder Urtheylern soll nicht berufen werden, wer das siebzigste Lebensjahr ueberschritten oder wer ob seyner Armuth oder Gebrechlichkeyt oder ob Krankheyt und Unverstand oder anderem Grunde das Amt nicht dem Wohle des Rechts und der Gerechtigkeyt entsprechend auszuueben vermag. Dem Richter oder Urtheyler ist ein Richtgeld von neun Silbern, vier Kupfern und sechs Kreuzern zu zahlen, fuer jeden Tag, an welchem sie Gericht gehalten.

II. Item, zu Schoeffen sollen solch ehrbare, rechtschaffene, muendige und verstaendige Adlige oder freye Buerger berufen werden. Soll derethalben ein Buerger zum Schoeffen ernannt werden, so musz er Nachweys fuehren, dasz er alldieweyl nie selbst einer Miszethat bezichtigt, gar verurtheylt worden ist und dasz er bereydt der Krone und dem Reych, wie dem Rechte zu dienen gewillt ist. Dies habe er zu beeyden, indem er vor den Richter, zu welchem Gerichte er berufen trete und hernach spricht: So buerge ich, N.N., hier vor Euch stehend, bey den allheyligen Ewgen, dasz ich mein Amt als Schoeffe fuerderhin und fuer alle Zeyt dem Willen der Krone entsprechend, daher dem Gesetze treu, dem Rechte verbunden und der Gerechtigkeyt verpflichtet, ausueben will. Ferner beeyde ich, dasz ich niemals in keinem Teyle des Reyches einer Miszethat bezichtigt oder gar verurtheylt bin. Zum Schoeffen soll nicht berufen werden, wer das siebzigste Lebensjahr ueberschritten oder wer ob seyner Armuth oder Gebrechlichkeyt oder ob Krankheyt und Unverstand oder anderem Grunde das Amt nicht dem Wohle des Rechts und der Gerechtigkeyt entsprechend auszuueben vermag. Den Schoeffen soll eine Entschaedigung vergolten werden von vier Silbern und uelf Kreuzern fuer jeden Tag, an welchem sie zu Gericht gesessen.

III. Item, soll jedem Gericht ein Schreyberling, also auch Gerichtsschreyber oder Protocollariusz genannt, beigeordnet seyn, welcher die Verhandelung im Worte festhalte, die Gerichtsackte fuehre und sie beym Richter oder Buettel verwahre fuer vierzig Jahr und Tag. Zu solch Schreyberling soll nur berufen werden, wer der Grenzbruecker Sprache und Schrift maechtig ist, niemals einer Miszetaht bezichtigt, noch gar verurtheylt ist, in explicio wegen Faelscherey oder gemeynen Betruges, oder gegen dessen Verlasz andere Gruende vorzutragen sind. Die Gerichtsschreyber sollen entweder vor den jeweyligen Richter oder Urtheyler treten, zu welchem Gerichte sie berufen oder vor dem Reychshochrichter erscheinen und sodann Eyd schwoeren wie folgt: So buerge ich, N.N., hier vor Euch stehend, bey den allheyligen Ewgen, dasz ich mein Amt als Gerichtsschreyber fuerderhin und fuer alle Zeyt dem Willen der Krone entsprechend, daher dem Gesetze treu, dem Rechte verbunden und der Gerechtigkeyt verpflichtet, ausueben will. Ich will alles so niederschreyben, wie ich es mit eigenem Ohr vernommen oder mit eigenem Aug gesehen habe und nichts Falsches hintzufuegen oder Rechtes unterlaszen niederzuschreyben. Auch beeyde ich, dasz ich niemals in keinem Teyle des Reyches einer Miszethat bezichtigt oder gar verurtheylt bin. Den Schreybern soll ein Schreybgeld gezahlt werden von zehn Kreuzern, fuer jede Zeyle, welche sie niederschrieben. Ferner soll ihnen eine Entschaedigung von zwey Silbern gezahlt werden, fuer jeden Tag, an dem sie zu Gericht berufen sind. Der Schreyberling mag darob seine Kosten fuer Papyr und Feder nicht erstattet verlangen.

Capitulum Secundum: Von Anzeygung einer Miszethat, Haft und Vorfuehrung vor den Richter

Art. I. Von der Bezichtigung

I. Solcherart soll ehedem nur dann eine gerichtliche Verhandelung ob einer Miszethat eingeleitet werden, als da ein Beklagter in rechtschaffener und lauterer Art und Weyse einer solchen bezichtigt wird.

II. Item, mag die Bezichtigung erfolgen durch Klage eines Adligen, Wuerdentraegers oder freien Mannes oder Buergers, welcher von der Miszethat betroffen ist oder aber von Amts wegen, und sonst jedoch von keinem. Geschieht es, dasz einer eine Miszethat sieht, hoert oder von Hoerensagen hiervon erfaehrt, jedoch selbst hiervon nicht betroffen, so mag er beym Buettel oder sonstigem Amtmann oder der Landesherrlichkeyt ersuchen, dasz ob dieser Miszethat eine Bezichtigung von Amts wegen erfolgen soll. Die Entscheidung ueber solch Gesuch stehet im Gutduencken des Ersuchten.

III. Solche Miszethaten, welche einen Unfreyen oder Leybeignen betreffen, moegen seitens des jeweyligen Herrn durch Klage bezichtigt werden, so als sey der Herr selbst von der Miszethat betroffen. Ein Rechtloser aber mag nicht klagen.

IV. Ist die Bezichtigung nicht rechtens, in explicio, dasz bereits der Richter oder Urtheyler sie fuer ehedem faelschlich, nichtig oder sonst zweyfelhaft haelt, mag das Gericht den vermeintlichen Uebelthaeter nicht in Haft nehmen. Es soll ihn aber ob des gethanen Vorwurfs befragen und ist der Beklagte dann also gestaendig, soll es die Verhandelung wider ihn eroeffnen.

V. Geschieht es, dasz einer, welcher von Amts wegen bezichtigt wird, weyl ein treuer und rechtschaffener Reychsbuerger ihn im Sinne des zweiten Absatzes dieses Articels beym Buettel oder Amtmann oder der Landesherrlichkeyt einer Miszethat gemeldet, verurtheylt wird, so soll dem getreuen Buerger hieraus ein Denuntiantenlohn nach Gutduencken des Gerichts erwachsen, welchen der Miszethaeter zu zahlen hat. Einem Unfreyen oder Rechtlosen aber soll ein solcher Lohn nicht gewaehret werden.

VI. Die vorstehenden Regularien gelten solch ebenfalls vor dem ordentlichen Schwurgerichte und dem Standgericht.

Art. II. Von der Vorfuehrung vor den Richter

I. Item, haelt das Gericht die Klage fuer rechtschaffen und lauter, so soll der Buettel oder ein anderer berufener Gerichtsdiener den Beklagten, noehtigenfalls mit Waffengewalt, in Gewahrsam nehmen und dem Gerichte vorfuehren. Dem Beklagten sind nach Guthduencken Schellen oder Fuszeysen anzulegen, in explicio solchen vermeintlich Miszethaetern, welche einer capitalen Miszethat bezichtigt oder sonst gefaehrlich erscheinen. Iszt das Gericht am Tage der Ingewahrnahme nicht mehr zu erreychen, so verbleibt der Beklagte im Gewahrsam.

II. Hernach soll das Gericht den Beklagten ob der Klage vernehmen und so es diese hernach fuer ehedem faelschlich, nichtig oder sonst zweyfelhaft haelt, den Beklagten entlassen und ihm eine billige Entschaedigung zuerkennen, welche vom Klaeger zu zahlen ist.

III. Kommt das Gericht aber zu der Ueberzeugung das hiernach eine gerichtliche Verhandelung erforderlich ist, ob des Rechtes und der Ordnung willen, so soll es wider den Beklagten die Haft verhaengen, wie im hernachfolgenden geregelt.

V. Die vorstehenden Regularien gelten solch ebenfalls vor dem ordentlichen Schwurgerichte und dem Standgericht.

Art. III. Von Haft und Caution

I. Item, der Beklagte gegen den die Bezichtigung zugelassen, soll in Haft genommen und hierob in Schuldturm, Kerker oder Gerichtskarzer gebracht werden, solange bis dann also seine gerichtliche Verhandelung eroeffnet. Ist der Beklagte von adligem Stande so soll er nicht in Haft genommen werden, sondern in seinen Besitzungen unter Arrest gestellt werden, es sey denn, dasz er ausreichende Caution nach Guthduencken des Gerichts hinterlegt.

II. Item, zugleych soll auch der Klaeger in Haft genommen werden und ebenfalls in Schuldturm, Kerker oder Gerichtskarzer verbracht werden, es sey denn, dasz der Klaeger vom ersten, zweyten oder dritten Bluthrange ist, dem Clerus angehoeret oder eine ausreichend angemeszene Caution hinterlegt, welche nach Guthduencken des Gerichtes und der Schwere der Sache festzulegen ist oder dasz die Klage von Amts wegen eingereycht ward. Ein Klaeger von Stand oder Wuerden mag auch einen Treumundt stellen, der an seyner statt in Haft genommen wird.

III. Item, geht der Beklagte, als auch der Klaeger der Caution verlustig, wenn er zum Gerichtstage nicht erscheint oder sonst ersucht, die Verhandelung ungebuehrlich zu beeinfluszen, in explicio indem er Zeugen besticht oder sonst bedroht, Beweys und Indicz beseitigt oder faelscht oder sich an dem Beklagten oder Klaeger je danach sonstwie vergeht.

IV. In Verfahren vor dem Standgericht aber mag ein Treumundt nicht gestellet und eine Caution nicht hinterlegt werden.

Capitulum Tertium: Ob der Verhandelung

Art. I. Von der Eroeffnung des gerichtlichen Verfahrens

I. Item, das gerichtliche Verfahren wird durch den Richter oder einen gesondert berufenen Urtheyler eroeffnet, solcherart, dasz er im ganzen Bezircke oeffentlich bekannt machen laeszt, wann und wo die Verhandelung stattfinden soll. So soll dies durch Ausrufung und entsprechenden Anschlag geschehen.

II. Der Richter soll so moeglich die Verhandelung aber nicht auf einen Marckttag oder sonstigen Wochentag festsetzen, sondern auf einen Herzogsehr.

Art. II. Vom Gang der Verhandelung

I. Am Tage der Verhandelung begibt sich das Gericht zum Gerichtsorthe. Der Klaeger und der Beklagte werden ebenso dorthin verbracht.

II. Der Gerichtsorth soll auszerhalb der Stadtmauern oder der Dorfbefriedung liegen, entweder solcherart auf einem Richtfelsen oder Huegel, unter einer Linde oder an einem Richtsteyne. Nur in den Reychsstaedten Limest, Brueckstaedt, Ravur, Mendtstadt und Belartha soll in einem befestigten Gebaeude ein besonderes Schwurgericht oder ein peynliches Halsgericht tagen. Der Gerichtstag mag vom ersten bis zum letzten Sonnenstrahle erfolgen, aber nicht zur Nachtzeyt oder in der Dunckelheyt.

III. Das Gericht oder der Richter wie seyn Schreyberling sitzen in der Mitte. Zu seyner Rechten soll der Klaeger stehen, zu seiner Linken der Beklagte, welcher vom Buettel oder einer Landswache arrestiert wird, auf dasz er den Gerichtsorthe nicht fliehen mag.

IV. Item, soll das Gericht den Gerichtsfrieden ausrufen und allethalben kundtun, welche Strafe derjenige verwirckt, der den Gerichtsfrieden bricht. Solcherart soll auch vor dem ordentlichen Schwurgerichte und dem Standgerichte erfolgen.

IV. Hernach soll das Gericht oder der Richter die Verhandelung mit drey Stockschlaegen des Richtstocks auf den Boden eroeffnen. Dazu ruft es die Rechtssache auf, welche nunmehr verhandelt werden soll, bezeychnet durch die Namen und Herkunft von Klaeger und Beklagtem. Sodann fragt es den Klaeger ob seyner Person und ob er seyne Klage weyterhin verfolgen wolle. Bejaht dieser das letzte, so befragt das Gericht den Beklagten ob seyner Person. Will dieser hiertzu nichts sagen, so soll ihm zunaechst die Tortur angedroht werden. Weygert er sich hernach immer noch, soll er der Tortur unterworfen werden bis er zu seyner Person sich entaeuszert. Statt der Tortur mag das Gericht die Person des Beklagten auch durch das Wort eines leumuendigen Zeugens oder aber dreyer simpler Zeugen feststellen. Dann aber soll der Klaeger dem Gerichte seyne Klage vortragen und eine Abschrift derselben zu Gerichte reychen. Hernachfolgend fordere das Gericht den Beklagten auf, sich zu der Klage zu entaeuszern. Gesteht dieser aber die in der Klage bezeychnete Miszethat im Ganzen so soll das Gericht umgehends ein Urtheyl faellen. Gesteht dieser die der Klage zugrunde liegende Miszethat eben nicht im Ganzen so musz das Gericht die Verhandelung fortsetzen, in explicio Beweys erheben, wie hernachfolgend im Capitulum Quartum dieses Liber bestimmet, es sey denn, dasz Geleugnete ist von solch geringer Bedeutung, dasz eine Bestrafung auch ohne Klaerung desselben erfolgen kann. Leugnet der Beklagte dagegen die Klage, dann soll dasz Gericht Beweys erheben, in Art und Weyse wie hernachstehend geregelt. Item, hat das Gericht dann ausreychend Beweys erhoben, um sich ein Urtheyl zu bilden, so soll es beschlieszen, dasz hierauffolgend kein Beweys mehr erhoben werden kann und darf, um des Rechtsfriedens willen. Sodann spricht das Gericht seyn Urtheyl, je nachdem ob es den Beklagten der Miszethat fuer schuldig befindet oder nicht, so wie im Capitulum Quintum dieses Buches geschrieben. Hernach beschlieszt es die Verhandelung durch drey Schlaege des Richtsstocks auf den Boden. Solcherart der Gerichtsfrieden als aufgehoben gelte.

V. Das Gericht mag zu jedem Zeytpunckte die Verhandelung fuer eine Stunde bis zu uelf Tagen unterbrechen, wenn es dies fuer erforderlich haelt. Ist der uelfte Tag aber verstrichen, ohn dasz die Verhandelung fortgesetzt ward, soll Klaeger und Beklagter aus der Haft entlassen und ihnen die hinterlegte Caution ausbezahlt werden. Der Klaeger mag sodann seyne Klage vor einem anderen Gerichte in anderem Bezircke verfolgen oder die Landesherrlichkeyt anrufen, welche hernach dasz Gericht unter Strafdrohung anhalten soll, die Verhandelung neu zu eroeffnen.

Capitulum Quartum: Von deret verschiedentlichen Beweysen

Art. I. Von solcherart Mitteln zum Beweyse

I. Solcherart kennen wir an Mitteln zum Beweyse die Klageredt, den leumuendigen und den simplen Zeugen, das Indiczium, die Urkund und das freye Gestaendnys oder aber solches durch die Tortur.

II. Die Klage gelte als rechtens und begruendet, wenn sie durch Redt belegt und keine Widerredt erfolge. Erfolget aber eine Widerredt, so soll hierob Beweys erforderlich seyn, wie hernachfolgend bestimmet.

Art. II. Von den Grundsaetzen in dubio pro accusatio und in dubio pro reo

I. Item, dem Grunde und in allen Faellen von Zweyfeln soll nach dem Grundsatze in dubio pro accusatio entschieden werden, da nur der redtliche Klaeger Klag erheben wird, also dann wenn der Beklagte eine Miszethat begangen. Iszet da aber ein unredlicher Klaeger so wird es dem Beklagten ein leichtes und zu beweysen, dasz die Klageredt nicht rechtens und unbegruendet ist. Hernachfolgend gilt gesondert.

II. Iszet der Klaeger von adligem Stande oder ein Wuerdentraeger der Academia Clavis Mundi oder des Clerus und richtet sich seyne Klage wider einen Mann von Stand oder einen solch vorgenannten Wuerdentraeger, so hat je danach, wes Bluthrang der hoehere ist, der eine oder andere die Last des Beweyses. Iszet der Bluthrang gleych, so soll entweder ein Gothurteyl nach dem Codex Iuris Civilis Conradium erfolgen oder es gelte der Grundsatz in dubio pro accusatio.

III. Ist der Klaeger von buergerlichem Stande und klaget fuer sich selbst wider einen Mann vom Adelsstande oder einen Wuerdentraeger des Clerus so gelte der Grundsatz in dubio pro reo, also dasz der Klaeger die Schuld des Beklagten zu beweysen habe, denn der Mann von adligem Stande iszet ein Ehrenmann und so wird er schwerlich eine Miszethat begehen.

IV. Ist der Klaeger von buergerlichem Stande und klaget fuer einen Unfreien wider einen Mann vom Adelsstand oder einen Wuerdentraeger des Clerus, so gelte ebenfalls der Grundsatz in dubio pro reo, also dasz der Klaeger die Schuld des Beklagten zu beweysen habe.

V. Item, iszet der Klaeger von buergerlichem Stande und klaget fuer sich darselbst wider einen Buergerlichen, so soll der Beklagte seyne Unschuld zu beweysen haben, wie dem Grunde nach entschieden.

VI. Klagt der Klaeger von buergerlichem Stande aber fuer einen seyner Unfreyen wider einen Buerger oder Freyen, so soll der Klaeger ihm die Schuldigkeit nachweysen.

VII. Im Falle der Klage eines Amtmanns wider einen Adligen oder Wuerdentraeger des Clerus hat der Amtmann die Schuldigkeyt des Beweyses. In allen anderen Faellen soll der Beklagte aber seyne Unschuld zu beweysen haben. Die Klage wider einen Amtmann unterlieget dagegen den allgemeynen Regularien.

VIII. Item, will da aber einer wider einen Wuerdentraeger oder ein inscribiertes Mitglied der Hohen und Ehrwuerdigen Academia Clavis Mundi klagen, so mag er dies nicht nach diesen Regularien, sondern alleyn nach dem Codex Iuris Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis. Eine Klage vor einem weltlichen Gericht sey daher hiermit ausgeschlossen. Allenthalben der Reychshochrichter mag Klage vor dem Femegericht der Krone wider ein inscribiertes Mitglied der Hohen und Ehrwuerdigen Academia Clavis Mundi erheben, solcherart die Sache von gesonderter Bedeutung und eine Verhandelung vor dem Einen Hohen und Ehrwuerdigen Rathe unthunlich ist.

IX. Die vorstehenden Regularien gelten solch ebenfalls vor dem ordentlichen Schwurgerichte und dem Standgericht.

Art. III. Vom simplen Zeugen

I. Der simple Zeuge soll vors Gericht gerufen und eindringlich ermahnet werden, dasz er hiervor und vor den Ewgen nur der Wahrheyt verpflichtet sey. Ihm mag aufgezeygt werden, welche Straf und Busze einen Meyneidigen und Luegner erwartet. Iszet bekannt, dasz ein Mann oder Weyb bereyts in anderer Rechtssache als Zeuge gelogen oder sich des Meineydes schuldig gemacht, so soll diese Person nicht wieder als Zeuge vor einem anderen Gerichte zugelaszen werden.

II. Hernach soll der Zeuge ueber das, was er gesehen oder vernommen oder auf andere Art bemercket, so es denn zum Beweyse der streitigen Sache tuhnlich iszet, vortragen. Er soll dabey weder durch den Klaeger, noch den Beklagten unterbrochen werden.

III. Iszt der simple Zeuge nicht bereyt zu sprechen, so soll ihm die Tortur zunaechst angedrohet und im Falle des fortgesetzten, unbilligen Schweygens auch angethan werden, bis er zu der Sache sich entaeuszert. Ferner soll ihm hierfuer ein Wergeld auferlegt werden.

IV. Erscheint der Zeuge trotz rechtzeitigen Rufes nicht vor Gerichte, so soll er gesucht und in Haft genommen werden.

V. Sodann, wenn der simplen Zeuge geendigt, soll der Richter oder Urtheyler ihn befragen, so noch Zweyfel in der Sache bestehen. Dann aber soll der Zeuge dem Klaeger und hernach dem Beklagten Rede und Antwort stehen.

VI. Hernach soll der Zeuge seyn gesprochenes Wort beeyden, so der Richter oder Urtheyler dies verlanget. Hiertzu spreche er wie folgt: Ich, N.N., beeyde bey den Ewgen Goettern und vor diesem Gerichte nur der Wahrheyt entsprechend gesprochen zu haben, andernfalls meine Seele verdammt seyn soll fuer alle Zeyt.

VII. Sodann soll das Gericht den Zeugen entlaszen und ihm eine gerechte Entschaedigung zusprechen, welche je danach wer obsieget von Klaeger oder Beklagtem zu entrichten sey.

VIII. Das Wort des simplen Zeugen wiege eine Unze, es sey denn dasz er ein Unfreyer ist, weshalbig es dann nur ein halb der Unzen wiegen soll.

IX. Das Wort eines Rechtlosen aber soll vor Gericht nicht gehoert werden, denn iszet es schon aufgrund seyner Natur allenthalben ersichtlich, dasz es wankelmuetig ist und daher der Rechtlose zur Luege neiget.

Art. IV. Vom leumuendigen Zeugen

I. Solcherart Zeuge, dessen gesonderte Glaubhaftigkeyt und Rechtschaffenheyt allenthalben bekannt oder dessen Zeugnis hierob besonders geachtet ist, der soll als leumuendiger Zeuge vor Gericht anerkannt werden. Der Amtmann, der Clerus oder ein inscribiertes Mitglied der Hohen und Ehrwuerdigen Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis sind stets leumuendige Zeugen.

II. Der Amtmann, Buettel oder die Landesherrlichkeyt mag bestimmen welch Mann oder Weyb in ihrem Bezircke als leumuendiger Zeuge gelte. Ferner sey leumuendiger Zeuge solcherart Person, fuer die sich sieben unbescholtene Buerger verbuergen. Die Buergen haften fuer Wort und Zeugnis des leumuendigen Zeugen und sollen gleichenfalls wie der leumuendige Zeuge im Falle des Meyneids oder der Luegenrede gestraft werden. Im uebrigen soll sich der Klaeger oder Beklagte fuer seynen Schaden an ihnen guethlich halten duerfen. Anstatt der sieben Buerger genuegen auch jeweylig zweye Personen vom Clerus oder der Academia Clavis Mundi Grenzbrueckensis oder jeweyls einer gemeynsam mit dem anderen.

III. Der leumuendige Zeuge soll nicht in Haft gehen oder der Tortur uebergeben werden, es sey denn dasz offensichtlich sein Wort von truegerischem, unbilligen oder unthunlichem Ansinnen getragen wird. Erscheynt der leumuendige Zeuge nicht vor Gericht, so gehet dies im Zweyfel zu Lasten desjenigen, der sich auf seyn Wort berufen.

IV. Der leumuendige Zeuge soll sein Wort nicht beeyden mueszen, es sey denn dasz er der Tortur uebergeben ward. Dann aber soll er seyn Wort beeyden, gleicherart wie es der simple Zeuge tun soll, wenn der Richter oder Urtheyler dies verlanget.

V. Das Wort des leumuendigen Zeugen wiege fuenf der Unzen.

VI. Iszet der leumuendige Zeuge aber vom Adelsstande so soll seyn Wort nur durch dasjenige eines anderen Mannes vom Adelsstande widerlegt werden koennen. Solcherart wiege dann das Masz der Worte je danach von welchem Bluthrange der adlige Zeuge iszet. Im ersten Bluthrange einhundert der Unzen, im zweiten dreyunddreiszig, im dritten zehn, im vierten sieben, im fuenften vier, im sechsten zweye und im siebten eine Unze.

VII. Das Wort der Krone aber kann nicht angezweifelt noch widerlegt werden. Es gelte daher als von jedher bewiesen.

Art. V. Vom Indiczium

I. Item, ein Indiczium sey solcherart Geding, welches zwar nicht die streitige Sache in explicio beweyse, jedoch den Schlusz hierauf zulasze.

II. Will der Klaeger oder Beklagte aber den Beweys durch Indiczium fuehren, so musz er eben jenes dem Gerichte vorlegen und sich erklaeren, was er hieraus ableite.

III. Der Richter oder Urtheyler mag also dann entscheyden, ob er dasz Indiczium zulasze. Laeszt er es aber zu, so soll er ihm ein Masz an Unzen zuweysen, je danach fuer wie schwerwiegend er es erachte.

Art. VI. Von der Urkund

I. Item, als Urkund gelte nur solch geschriebenes Wort, welches durch Handzug des Urhebers unterzeychnet und mit seynem Wappen besiegelt und mit dem Tage der Ausstellung versehen iszt.

II. An der Urkund soll kein Schaden sich finden, also sonst die Urkund nicht als solche, sondern als gewoehnliches Indiczium gelte, denn iszt es dann nicht auszuschlieszen, dasz die Urkund Faelscherswerck wohl iszt. Der Richter oder Urtheyler soll aber dann besonderes Augenmerck hierauf richten und pruefen, ob das Schriftstueck wohl als Urkund gilt.

III. Die Contentio einer Urkund gelte als wahr und bewiesen, solange sie nicht durch eine andere Urkund oder das Wort eines leumuendigen Zeugen widerlegt wird oder die Urkund erst nach der Ergreifung oder Anzeygung des Miszethaeters verfaszt iszt.

IV. Item, sind da aber zwey Urkunden, welche sich in ihrer Contentio ganz oder zum Teyle widersprechen, so soll nur die Aeltere maszgebend seyn, es sey denn, dasz die Juengere dann auch von der Gegenseyte unterzeychnet und besiegelt iszt und solcherart uebereinstimmend das Aeltere von beiden Parteyen durch das Neuere abbedungen.

Art. VII. Vom freyen Gestaendnys

I. So denn der Beklagte eine Miszethat eingesteht, soll verfahren werden, wie bereyts derethalben oben beschrieben.

II. So der Beklagte aber die Miszethat im Ganzen leugnet, jedoch in Bezug auf eine streitige Sache spaeter diese einraeumt, so soll es gelten, als sey diese Sache nie streitig gewesen und derethalben ein Beweys nicht erforderlich.

Art. VIII. Von der Tortur

I. Item, sind da keine Mittel zum Beweyse vorhanden oder lasze sich durch solche kein Beweys erbringen oder hege der Richter oder Urtheyler noch Zweyfel, so soll er dem Beklagten die Tortur androhen. Gesteht der Beklagte nun die Miszethat oder eine streitige Sache und hegt der Richter oder Urtheyler hernach keine Zweyfel mehr, so soll er verfahren wie oben bereyts beschrieben. In keinem Falle soll er den gestaendigen Beklagten dann aber der Tortur uebergeben. Laezt sich der Beklagte von solcherart Drohung nicht beeindrucken und beharrt auf seinem Wort, so soll der Richter oder Urteyhler ihn der Tortur uebergeben.

II. Hat aber der Klaeger die Schuldigkeyt des Beweyses so soll der Beklagte nicht der Tortur anheimgestellt werden, sondern der Klaeger so wie obenda bestimmet.

III. Das gestaendyge Wort, welches in der Tortur gesprochen, wiege soviel wie dasjenige dreyer leumuendiger Zeugen.

IV. Die Tortur mag nur durch einen vom Gerichte bestellten Hencker vollfuehrt werden. Der Hencker soll dafuer Sorge tragen, dasz der Beklagte nicht zu Tode kommt.

V. In der Tortur mag der Hencker sich des Streckens, des Peitschens, des Brennens mit gluehenden Eysen und solch anderer tradierter und wohlbewaehrter Mittel bedienen.

VI. Die vorstehenden Regularien gelten solch ebenfalls vor dem ordentlichen Schwurgerichte und dem Standgericht.

Art. X. Wann also eine Klageredt oder Widerredt als bewiesen gelte

I. Solcherart soll der Richter oder Urtheyler die jeweiligen Unzen der Mittel zum Beweyse wiegen, je danach ob sie fuer Klaeger und Beklagten gelten. Iszet aber da ein Mittel zum Beweyse, welches fuer beide spricht, so soll der Richter oder Urtheyler die Unzen gedeihlich aufteylen und so dies nicht moeglich nach freyer, rechter und wahrhaftiger Ueberzeugung waehlen, wem die Unzen zufallen sollen, der Klageredt oder der Widerredt.

II. Sodann soll der Richter an der Waagschaal ablesen, zu wes Gunsten die schwerwiegenderen Mittel zum Beweyse wiegen. Diesbetreffend soll das jeweils vorgetragene als wahr und geschehen gelten. Das andere, von der Gegenseyte jeweils Vorgebrachte, aber soll als faelschlich, veraechtlich und untuhnlich verworfen werden.

III. Geschieht es aber, dasz die Waagschaal hernach auf beiden Seyten gleichviele Unzen zaehlet, so soll der Richter oder Urtheyler nach dem jeweyligen Grundsatze in dubio pro accusatio oder in dubio pro reo, wie vorfolgend bereyts beschrieben, entweder fuer die Klageredt oder die Widerredt entscheiden, also danach wem die Schuldigkeyt des Beweyses zufaellt und wer dies Beweyses also schuldig geblieben iszt.

Art. V. Vom Verlangen des Beklagten, Beweys einzuholen

I. Der Beklagte mag jederzeyt die Erhebung eines Beweyses verlangen, es sey denn, dasz das Gericht dieses Verlangen fuer unthunlich oder der Sache nicht erforderlich erachtet oder dasz der Beklagte den Beweys nicht innerhalb einer Stunde oder eines Tages herbeyzuschaffen vermag.

II. Ebenso wenn der Richter oder Urtheyler beschlieszet, dasz weiterer Beweys nicht zugelassen.

Capitulum Quintum: Vom Urtheyle

Art. I. Ob des Urtheyls

I. Das Urtheyl wird muendlich durch den Richter oder Urtheyler gesprochen und vom Schreyber niedergeschrieben. Geschieht es, dasz bey Verkuenden des Urtheyls der letzte Sonnenstrahl das Land trifft oder die Sonne sich verfinstert und der Richter hier noch nicht geendigt, so soll er die Verhandelung unterbrechen und am darauffolgenden Tage erneut Beweys erheben.

II. Erachtet das Gericht den Beklagten der bezichtigten Miszethat fuer schuldig, so hat es dies im Urtheyle auszusprechen und eine gedeihlich Straf wider den Beklagten zu verhaengen, solcherart das Gesetz es vorsieht. Im Falle einer endlich Straf soll der Richter einen Richtstab ueber dem Haupte des Miszethaeters zerbrechen, auf dasz hiermyt kundgethan, dasz dieser sein Leben verwirckt habe.

III. Kann das Gericht den Beklagten aber einer Miszethat nicht fuer schuldig befinden, hat es den Beklagten freyzusprechen und aus der Haft zu entlaszen und das Urtheyl allerorthen im Bezircke zu verkuenden, auf dasz der Beklagte hierob entschuldigt werde und ihm kein weitere Unbil widerfahre.

IV. War der Beklagte mehrerer Miszethaten bezichtigt und iszt er fuer das Gerichte nur der einen, einer anderen aber eben nicht ueberfuehrt, so soll er nur wegen der ersteren fuer schuldig gesprochen werden, wegen der anderen jedoch soll das Gericht ihn freysprechen.

V. Seyn Urtheyl hat der Richter oder Urtheyler zu begruenden in ausreychendem, billigem und rechten Masze, denn es soll niemand mehr ohne Grund und rechtschaffene Ueberfuehrung bestrafet werden.

Art. II. Von solcherart Vollstreckung des Urtheyls und Entlohnung

I. Item, iszet das Urtheyl also gesprochen und keinerley Rechtsmittel hierob zugelassen, so soll der Miszethaeter gleychwohl noch am Gerichtsorthe dem Buettel, der Landwache oder dem Hencker oder sonst zur Vollstreckung von solcherart Urtheyl berufener Person in Gewahr gegeben werden.

II. Eine Geldbusze oder Reustrafe soll innerhalb von neun Tagen nach dem Urtheylsspruche vollstrecket werden.

III. Eine endliche Straf wider einen Mann von adligem Stande soll innerhalb von fuenf Tagen, wider einen Buerger innerhalb von drey Tagen und wieder einen Unfreyen oder Rechtlosen allenthalben sofort noch am Gerichtsorthe, so dies moeglich oder am darauf folgenden Tage vollstrecket werden. Dem Adligen und Buerger sey es gestattet, sich von seinen Anverwandten zu verabschieden, seyne Geschaefte abzuwickeln und den Beystand eines Geistlichen der Myrn oder des Acrulon zu verlangen und um seyn Seelenheyl zu beten. Ferner werde dem Adligen am Tage seyner Hinrichtung ein letztes Henckersmahl gewaehret und ihm gestattet eine einzelne Silbermuenze in seynen Taschen zu behalten.

IV. Eine endlich Straf mag nur ein Hencker zu vollstrecken.

V. Dem jeweyls Vollstreckenden sey ein Lohn zu entrichten als wie folget. Fuers Auspeitschen sollen dem Hencker vier Kupfer je Hieb zufallen, dem Buettel oder anderen aber zweye Kupfer je Hieb. Fuers Bauch durchstoszen erhaelt der Hencker ein Silber, der Buettel oder anderer acht Kupfer. Fuers Blenden soll der Hencker ein Silber und drey Stuecklinge vom Kupfer, der Buettel oder anderer dagegen fuenfe Kupfer erhalten. Fuers Brandmarken mag der Hencker ein Silber und zweye Kupfer fordern, der Buettel oder anderer soll aber nur ein Silber bekommen. Fuers Entmannen erhaelt der Hencker dreye Kupfer, der Buettel oder anderer dagegen nur eines. Fuers Finger abhacken sollen dem Hencker fuenf Kupfer je Finger zufallen, dem Buettel oder anderen aber zweye Kupfer je Finger. Fuers Hand abhacken mag der Hencker ein Silber je Hand fordern, der Buettel oder anderer aber sieben Kupfer je Hand. Fuers Ohren abschneiden bekommt der Hencker sechs Kupfer, der Buettel oder anderer aber viere. Fuers an Pranger binden zahlt man dem Hencker fuenf Kupfer je Tag, dem Buettel oder anderem dagegen solcherart dreye. Fuers Sehnen durchstoszen soll man dem Hencker sechse Kupfer und zwey Stuecklinge vom Kupfer geben, dem Buettel oder anderem aber vier Kupfer und einen Kupferstueckling. Fuers Zunge abschneiden mag der Hencker acht Kupfer fordern, der Buettel oder anderer dagegen viere und dreye Kupferstuecklinge. Fuers Einmauern erhaelt der Hencker dreye Silber und sechs Kupfer. Fuers Ertraencken soll man ihm zweye Silber entlohnen. Fuers Pfaehlen mag man dem Hencker ein Silber und sechs Kupfer zahlen. Fuers Raedern aber soll er zwey Silber und dreye Silberstuecklinge erhalten. Fuers Steinigen musz der Hencker mit dreye Silbern und zwey Kupferstuecklingen entlohnt werden. Fuers Verbrennen auf dem Scheiterhaufen soll er dreye Silber erhalten. Fuers Richten mit dem Schwert oder dem Beyl erhaelt er fuenfe Silber und dreye Kupfer, wenn es auf den ersten Hieb geschieht. Fuer jeden weiteren soll er aber je eines Silber und eines Kupfer verlustig gehen. Fuers aufknuepfen soll der Hencker viere Silber und acht Kupfer verlangen koennen. Fuers Tuermen schlieszlich zahlt man ihm ein Silber und dreye Kupfer. In jedem Falle einer endlich Straf aber mag der Hencker das behalten, was der Delinquentus am Leyb getragen, als da in explicio seyne Schuh und Hosen oder ein Guertel. Nach der Vollstreckung einer endlich Straf soll, so da keyn anderer dies uebernehme, der Hencker den Coerper in einem Armengrabe oder drauszen auf dem Schandfeld begraben. Tut er dies nicht, so soll er mit sechs Peitschenhieben bestrafet werden.

Capitulum Sextum: Ueber das Gnadenrecht

Art. I. Von solch Berechtigten

I. Berechtigt fuer einen verurtheylt Miszethaeter Gnade zu erbeten, seyen hernach solche Person von adligem Stande des ersten oder zweyten Bluthranges.

II. Wird dem Miszethaeter Gnade gewaehret, so soll der Begnadigende dem Klaeger alldieweyl den Schaden, welcher diesem ob der Miszethat entstanden ist, in Geldeswerth ersetzen.

Art. II. Wie hierob Gnade gewaehret werden soll

I. Der Richter oder Urtheyler iszet an den Willen des Begnadigenden gebunden.

II. Musz der Richter oder Urtheyler daher den Miszethaeter begnadigen, so hat er die Vollstreckung des Urtheyls auszusetzen und zu erklaeren, auf wes Ersuchen hierob dem Miszethaeter Gnade gewaehrt wird, damit sich der Klaeger an diesen ob des Ersatzes des Schadens wenden mag. Hernach iszet der Miszethaeter aus dem Arreste zu entlaszen, solcherart er sich denn darin befindet.

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